Die erneute Machtergreifung in Afghanistan durch die Taliban verunsichert die Menschen seit 2021 auf der ganzen Welt. Die Schweiz konnte im Rahmen ihrer Evakuierungen 387 Personen ausser Landes und in die Schweiz bringen. Sie konzentriert ihre Hilfsleistungen nun auf die humanitäre Hilfe vor Ort.
Viele Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz, aber auch Schweizerinnen und Schweizer, umtreibt seither das Schicksal der in Afghanistan verbliebenen Landsleute und Menschen. Es stellen sich ihnen in diesem Zusammenhang viele Fragen – die wichtigsten beantworten wir nachstehend.
Direkt zu:
- Evakuierungsaktion der Schweiz
- Resettlement aus Afghanistan und Unterbringung in der Schweiz
- Humanitäre Visa
- Familiennachzug
- Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Afghanistan
- Hilfe vor Ort
- Beurteilung von Asylgesuchen von afghanischen Staatsangehörigen
- Wegweisungsvollzug afghanischer Asylsuchender
- Migrationsbewegung
- Faktenblatt
Evakuierungsaktion der Schweiz
Wie viele Personen hat die Schweiz aus Afghanistan evakuiert?
Bis am 27. August 2021 hat die Schweiz 387 Personen aus Afghanistan evakuiert. Es handelt sich um die bisher umfangreichste Evakuierungsaktion der Schweiz. Von den 387 Personen entfielen 219 Personen auf das Resettlement-Kontingent, mit welchem die rund 40 lokalen Angestellten der DEZA (afghanische Staatsangehörige) und deren Familien aufgenommen wurden, 34 Personen waren Schweizer Staatsangehörige und 41 Personen verfügten über einen regulären Aufenthalt für die Schweiz.
Details siehe: Medienmitteilung des EDA vom 27. August 2021
Hat die Schweiz in Afghanistan eine Vertretung?
Die Schweiz hat am 15. August 2021 das Kooperationsbüro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul vorübergehend geschlossen und angesichts der aktuellen Entwicklungen ihr Personal abgezogen.
Details siehe: Schweizerisches Kooperationsbüro und Konsularagentur in Afghanistan
Resettlement aus Afghanistan und Unterbringung in der Schweiz
Wie viele Personen wurden im Rahmen des Resettlement-Programms aus Afghanistan aufgenommen?
Im Rahmen des Resettlements wurden nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 219 lokale, afghanische Angestellte der DEZA bzw. deren Angehörige aufgenommen.
Auf welche rechtliche Grundlage stützt sich die Aufnahme der afghanischen Staatsangehörigen?
Die Aufnahme stützt sich auf einen Entscheid des EJPD vom 13. August 2021 basierend auf Art. 56 AsylG, wonach das EJPD kleineren Flüchtlingsgruppen Asyl gewähren kann. Bei grösseren Flüchtlingsgruppen entscheidet der Bundesrat. Das EJPD hat beschlossen, die Aufnahme dieser Personen dem bestehenden Resettlement-Kontingent für die Jahre 2020/21 anzurechnen.
Wo halten sich die aufgenommenen Personen auf?
Nach ihrer Ankunft in der Schweiz wurden sie auf die Bundesasylzentren (BAZ) verteilt, medizinisch versorgt, ihre Identitäten wurden geprüft und die Personalien aufgenommen. Sie durchlaufen in den BAZ kein Asylverfahren (keine Befragung), sondern nur die Prozesse zur Identifikationsprüfung (Abnahme Fingerabdrücke etc.) sowie die Vorbereitung des Kantonsaustritts. Beim Kantonsaustritt erhalten alle Personen einen positiven Asylentscheid gemäss Art. 56 AsylG. Für die Integration werden sie auf die Kantone verteilt und durchlaufen dort die kantonalen Integrationsprogramme.
Wie wurden die aufgenommenen Personen verteilt?
Die Personen wurden möglichst gleichmässig auf die Bundesasylzentren (BAZ) verteilt. Dabei wurde darauf geachtet, dass Familien zusammenbleiben konnten. Nach ihrem Aufenthalt in den BAZ werden die Personen gemäss dem Resettlement-Verteilschlüssel auf diejenigen Kantone verteilt, die ihr Aufnahmekontingent noch nicht ausgeschöpft haben.
Werden die Kantone entschädigt?
Die Kantone werden gemäss den geltenden Pauschalen entschädigt.
Fand eine Sicherheitsüberprüfung der aufgenommenen Personen statt?
Ja. Die Sicherheitsüberprüfung der aufgenommenen Personen fand bei den lokalen Angestellten bereits bei deren Anstellung statt. Im Rahmen der Evakuierung aus Afghanistan überprüfte der NDB vor dem Abflug die Personen anhand der Liste der zu evakuierenden Personen nochmals im Hinblick auf die Frage, ob sie ein Risiko für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz darstellen. Diese Prüfung führte zu keinen sicherheitsrelevanten Befunden bezüglich der Einreise dieser Personen. Im Rahmen der Prüfung der Identität werden durch das SEM nochmals die Datenbanken Eurodac, SIS und RIPOL abgefragt.
Wie werden die aufgenommenen Personen integriert? Besuchen die Kinder die Schulen?
Die Integration der aufgenommenen Personen und die Einschulung schulpflichtiger Kinder ist in der Zuständigkeit der Kantone. Nach ihrer Ankunft in den Kantonen durchlaufen die Resettlement-Flüchtlinge ein Integrationsprogramm basierend auf den KIP (Kantonale Integrationsprogramme).
Dürfen die aufgenommenen Personen für immer in der Schweiz bleiben?
Personen, denen Asyl gewährt wurde, haben Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton, in dem sie sich rechtmässig aufhalten (Art. 60 Abs. 1 AsylG). Die Erteilung der Niederlassungsbewilligung richtet sich nach Art. 34 AIG.
Was ist ein Laissez-passer?
Ein Laissez-passer ist grundsätzlich ein Ersatzreisedokument und wird ausgestellt, wenn einer ausländischen Person ohne Reisedokument die Einreise in die Schweiz bewilligt wird. In Afghanistan werden derzeit keine Laissez-passer ausgestellt, da die Schweiz keine diplomatische Vertretung vor Ort hat.
Wem wurden Laissez-passer ausgestellt?
Bei der Evakuation in Kabul im August 2021 wurden Laissez-passer unabhängig davon, ob eine Personen ein Reisedokument hatte, als «Notlösung» ausgestellt, um damit den Zugang zum Flughafen in Kabul und in die Evakuationsflugzeuge zu ermöglichen.
Gibt es unter den ausgeflogenen afghanischen Personen solche, die bereits über eine B- oder C-Bewilligung für die Schweiz verfügen?
Ja. Es handelt sich dabei um Personen, die ordentliche ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligungen besitzen, jedoch nicht über einen Asyl- oder Flüchtlingsstatus verfügen. Es besteht für diese Personen deshalb kein Verbot in den Heimatstaat zu reisen. Zwei Personen mit einer vorläufigen Aufnahme ohne Flüchtlingsstatus (Ausweis F) reisten aufgrund einer ausdrücklichen Reisebewilligung des SEM nach Afghanistan. Dazu kommen Personen, welche im Rahmen des Familiennachzugs nach den ordentlichen ausländerrechtlichen Bestimmungen von den zuständigen kantonalen Behörden eine Einreisebewilligung erhalten hatten.
Was bedeutet die Anrechnung dieser 219 Personen für das laufende Resettlement-Programm 2020/21?
Die Umsetzung des laufenden Resettlement-Programms 2020/21 ist aufgrund der Corona-Pandemie generell in Rückstand geraten. Das maximale Kontingent von 1'600 Aufnahmen bis Ende 2021 dürfte selbst mit den Aufnahmen aus Afghanistan nicht voll ausgeschöpft werden. Nicht genutzte Plätze gehen nicht verloren, sondern werden auf das Kontingent des nächsten Resettlement-Programms (2022/23) übertragen.
Wie viel kostet die Aufnahme und Integration eines Resettlement-Flüchtlings im Schnitt pro Jahr?
Die Kantone erhalten für die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen während sieben Jahren eine jährliche Globalpauschale von CHF 18'000 pro Person und eine einmalige Integrationspauschale in gleicher Höhe. Dazu kommen die Kosten für die Einreise in die Schweiz.
Humanitäre Visa
Wer kann ein Gesuch um ein humanitäres Visum stellen?
Personen, die im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret, unmittelbar und ernsthaft an Leib und Leben gefährdet sind, können ein Gesuch um ein humanitäres Visum persönlich bei einer schweizerischen Auslandvertretung einreichen, die Visa ausstellen kann (Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über die Einreise und die Visumserteilung [VEV]). Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines Visums.
Wo kann ein Gesuch um ein humanitäres Visum gestellt werden?
Ein entsprechender Antrag für ein humanitäres Visum kann derzeit nur bei einer schweizerischen Auslandvertretung ausserhalb des afghanischen Staatsgebiets eingereicht werden, welche Visa ausstellen kann (u. a. in Islamabad, New-Delhi, Teheran, Istanbul, Doha).
Ist es nicht illusorisch, von den bedrohten Personen zu verlangen, dass sie ihr Gesuch um ein humanitäres Visum ausserhalb Afghanistans einreichen müssen?
Derzeit hat die Schweiz keine Vertretung in Afghanistan und sie verfügt somit nicht über die erforderlichen Mittel, um Visa vor Ort ausstellen zu können. Über diese verfügen derzeit nur Auslandsvertretungen ausserhalb des afghanischen Staatsgebiets.
Gibt es wenigstens vorgängig eine Möglichkeit um zu erfahren, ob das Gesuch um ein humanitäres Visum eine Chance auf Gutheissung hat?
Es besteht die Möglichkeit, bei einer Schweizer Vertretung schriftlich eine informelle Chancenberatung einzuholen. Eine solche Eingabe muss ausreichend begründet und belegt werden, damit eine vorläufige Einschätzung erfolgen kann (Beschrieb der unmittelbaren, konkreten und ernsthaften Gefährdung, Daten zur betroffenen Person, Schilderung des Bezugs zur Schweiz). Allgemeine unbelegte Ausführungen reichen nicht aus. Bei der voranfrageweisen Prüfung handelt es sich um eine informelle Voreinschätzung; eine abschliessende Prüfung und ein formeller Entscheid sind erst im Rahmen der persönlichen Vorsprache bei der Schweizer Vertretung möglich.
Wer prüft das Gesuch um ein humanitäres Visum?
Die schweizerische Auslandsvertretung prüft die Gesuche in Zusammenarbeit mit dem SEM. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines Visums.
Welche Kriterien müssen für die Ausstellung eines humanitären Visums erfüllt sein?
Für die Ausstellung eines humanitären Visums müssen zwei grundlegende Kriterien kumulativ erfüllt sein:
- Es muss eine unmittelbare, konkrete und ernsthafte Gefährdung an Leib und Leben nachgewiesen werden. Dabei muss es sich auf Basis der Lage in Afghanistan um eine individuelle und konkretisierte, unmittelbar lebensbedrohliche Gefährdung handeln (die Zugehörigkeit zu einer möglicherweise gefährdeten Gruppe genügt nicht).
- Neben der unmittelbaren, ernsthaften und konkreten Gefährdung an Leib und Leben können weitere Kriterien wie das Bestehen von Bindungen zur Schweiz und die hier bestehenden Integrationsaussichten oder die Unmöglichkeit, in einem anderen Land um Schutz nachzusuchen, mitberücksichtigt werden. Insbesondere der aktuelle und enge Bezug zur Schweiz ist von wesentlicher Bedeutung bei der Vergabe eines Visums. Das Kriterium des Bezugs zur Schweiz ist Teil einer Gesamtbeurteilung. Ein solcher Bezug zur Schweiz kann namentlich gegeben sein, wenn:
- nahe und regelmässig gepflegte und gelebte verwandtschaftliche Beziehungen zu in der Schweiz wohnhaften Angehörigen (Schweizer Bürger oder Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung) bestehen (Tante, Onkel, Eltern, Grosseltern); oder
- ein langer Voraufenthalt in der Schweiz mit einer engen Verbundenheit mit der Schweiz nachgewiesen ist; oder
- eine exponierende Erwerbstätigkeit für eine in der Schweiz ansässige Organisation bis unmittelbar vor Machtübernahme der Taliban nachgewiesen ist. Als exponierende Erwerbstätigkeit kann beispielsweise die Tätigkeit als Anwältinnen/Anwälte oder eine aktive Förderung der Menschenrechte verstanden werden. Reine Hilfstätigkeiten wie beispielsweise eine Anstellung als Chauffeurinnen/Chauffeure, Köchinnnen/Köche, Gärtnerinnen/Gärtner oder als Reinigungskraft sind nicht ausreichend.
- nahe und regelmässig gepflegte und gelebte verwandtschaftliche Beziehungen zu in der Schweiz wohnhaften Angehörigen (Schweizer Bürger oder Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung) bestehen (Tante, Onkel, Eltern, Grosseltern); oder
Ob der Bezug zur Schweiz hinreichend aktuell und eng ist, bestimmt sich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.
Kann mit einem humanitären Visum aus dem Aufenthaltsstaat ausgereist werden?
Mit der Ausstellung eines Visums aus humanitären Gründen gemäss Art. 4 Abs. 2 VEV ist die betroffene Person berechtigt, in die Schweiz einzureisen. Allerdings ist damit die effektive Ausreise aus dem Aufenthaltsstaat nicht gewährleistet. Die Organisation der Ausreise aus dem Aufenthaltsstaat obliegt der betroffenen Person. Gewisse Staaten gestatten die Ausreise nicht, wenn die Person sich illegal im Land aufhält und/oder kein heimatlicher Pass vorhanden ist. Ein von der Schweiz ausgestelltes Laissez-Passer dient dabei nicht als Passersatz und berechtigt lediglich zur Einreise in die Schweiz. Auf diese Einschränkungen im Aufenthaltsstaat haben die schweizerischen Behörden keinen Einfluss.
Familiennachzug
Für wen besteht die Möglichkeit eines Familiennachzugs?
Für Mitglieder der Kernfamilie (Ehegatten und ledige Kinder bis 18 Jahre) besteht die Möglichkeit des Familiennachzuges gemäss den geltenden ausländer- oder asylrechtlichen Bestimmungen.
Wo sind die Gesuche einzureichen und wer prüft diese?
Bei welcher Behörde die Gesuche um Familiennachzug eingereicht werden müssen, unterscheidet sich je nach Aufenthalts-/Niederlassungsbewilligung der in der Schweiz lebenden Person:
- Gesuche von ausländischen Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung B (Art. 44 AIG) oder einer Niederlassungsbewilligung C (Art. 43 AIG)
Gesuche sind bei der zuständigen Migrationsbehörde des Wohnsitzkantons des Gesuchstellers einzureichen. Der Kanton ist für die Beurteilung des Gesuchs sowie für die Beantwortung diesbezüglicher Fragen zuständig. Zudem muss die nachzuziehende Person ein Visumsgesuch auf einer Schweizer Vertretung mit einer Konsularabteilung einreichen.
- Gesuche von vorläufig aufgenommenen Personen mit F-Bewilligung (Art. 85 Abs. 7 AIG)
Gesuche sind bei der zuständigen Migrationsbehörde des Wohnsitzkantons des Gesuchstellers einzureichen. Der Kanton prüft das Gesuch in einem kantonalen Vorverfahren, danach werden die Gesuche zur weiteren Bearbeitung und zum Entscheid dem SEM zugestellt.
- Gesuche von asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen mit einer Aufenthaltsbewilligung B oder einer Niederlassungsbewilligung C (Art. 51 Abs. 4 AsylG)
Gesuche um Familienasyl müssen in Briefform per Post beim SEM eingereicht werden (Staatssekretariat für Migration SEM, Quellenweg 6, 3003 Bern-Wabern). Das SEM benötigt hierfür die N-Nummer des anerkannten Flüchtlings, genaue Angaben zu den Personen, für die um Nachzug ersucht wird, sowie geeignete Belege für das Verwandtschaftsverhältnis.
Ist im Rahmen des Familiennachzugs bei der Einreise ein Visum notwendig?
Ja, zur Einreise in die Schweiz ist ein Visum erforderlich. Entsprechende Gesuche müssen persönlich bei einer Auslandvertretung eingereicht werden.
Mein*e Partner*in verfügt über keine heimatlichen Papiere. An wen muss sie bzw. er sich wenden, um diese Papiere zu erhalten?
Zuständig für die Ausstellung offizieller Reisedokumente sind weiterhin die afghanischen Behörden. Die schwierige Situation in Afghanistan hat unter anderem zur Folge, dass die afghanischen Behörden vor Ort wie auch deren Vertretungen im Ausland (einschliesslich der afghanischen Vertretung in Genf) gegenwärtig nicht in der Lage sind, heimatliche Dokumente auszustellen. Bei dieser Ausgangslage gilt es abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt.
Kann mit einer Einreisebewilligung zum Familiennachzug aus dem Aufenthaltsstaat ausgereist werden?
Mit der Ausstellung der Einreisebewilligung zum Familiennachzug ist die betroffene Person berechtigt, in die Schweiz einzureisen. Allerdings ist damit die effektive Ausreise aus dem Aufenthaltsstaat nicht gewährleistet. Die Organisation der Ausreise aus dem Aufenthaltsstaat obliegt der betroffenen Person. Gewisse Staaten gestatten die Ausreise nicht, wenn die Person sich illegal im Land aufhält und/oder kein heimatlicher Pass vorhanden ist. Ein von der Schweiz ausgestelltes Laissez-Passer dient dabei nicht als Passersatz und berechtigt lediglich zur Einreise in die Schweiz. Auf diese Einschränkungen im Aufenthaltsstaat haben die schweizerischen Behörden keinen Einfluss.
Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Afghanistan
Können weitere Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms aus Afghanistan aufgenommen werden?
Das laufende Resettlement-Programm 2020/21 sieht die Aufnahme von bis zu 1600 besonders vulnerablen Flüchtlingen vor. Darunter konnte auch afghanischen Flüchtlingen aus der Türkei die Einreise in die Schweiz ermöglicht werden. Der Bundesrat hat für die Jahre 2022/23 bereits ein Kontingent von bis zu 1600 Resettlement-Flüchtlingen beschlossen. Im Rahmen dieses Programms wurden Ägypten, Libanon und die Türkei als prioritäre Erstasylländer bestimmt. Beim Resettlement aus der Türkei sollen primär Flüchtlinge aus Afghanistan berücksichtigt werden. Bei einer allfälligen koordinierten Anfrage des UNHCR, ob die Schweiz im Rahmen des Resettlement-Programms ein zusätzliches Kontingent von afghanischen Flüchtlingen aufnimmt, wird der Gesamtbundesrat über eine Beteiligung der Schweiz entscheiden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht abgeschätzt werden, ob und wie viele Menschen als Folge der jüngsten Ereignisse zusätzlich einen längerfristigen Schutz brauchen oder umgesiedelt werden müssen, da die Informationslage zu unklar ist.
Hilfe vor Ort
Wie wird die Schweiz vor Ort helfen?
Für die Schweiz steht derzeit die Hilfe vor Ort im Vordergrund, namentlich der Schutz und die Versorgung von intern Vertriebenen in Afghanistan sowie von afghanischen Staatsangehörigen, die in den Nachbarstaaten Schutz suchen. Dafür arbeitet die Schweiz eng mit internationalen Organisationen zusammen, namentlich UN-Organisationen und dem IKRK. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 8. September 2021 entschieden, das humanitäre Engagement der Schweiz in Afghanistan und den umliegenden Ländern zu verstärken. Er hat einen zusätzlichen Beitrag von 33 Millionen Franken für die Hilfe vor Ort bewilligt. Die Schweiz unterstützt damit die notleidende Bevölkerung in Afghanistan in den kommenden 16 Monaten mit rund 60 Millionen Franken.
Siehe dazu auch die Medienmitteilung des Bundesrates vom 8. September 2021: Afghanistan: Schweiz erhöht ihre humanitäre Hilfe vor Ort
Beurteilung von Asylgesuchen von afghanischen Staatsangehörigen
Werden Asylgesuche von afghanischen Staatsangehörigen noch geprüft?
Asylgesuche von Personen aus Afghanistan werden weiterhin behandelt. Konkret heisst dies, dass Asylgesuche von Personen, welche die Voraussetzungen für einen Schutzstatus in der Schweiz erfüllen, weiterhin entschieden werden. Dadurch sollen diese Personen möglichst schnell Klarheit über ihre Situation erhalten. Fälle von Personen, die allenfalls nach Afghanistan zurückkehren müssten, werden dagegen erst wieder beurteilt, wenn die Lageentwicklung dies zulässt. Das SEM beobachtet dabei die Lage in Afghanistan laufend und passt die Asyl- und Wegweisungspraxis bei Bedarf an.
Welche Möglichkeit haben afghanische Staatsangehörige, die vom SEM einen negativen Asylentscheid mit angeordnetem Wegweisungsvollzug erhalten haben?
Diese Personen können beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) innert der auf dem Entscheid vermerkten Frist eine Beschwerde gegen den Entscheid des SEM einreichen.
Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens besteht die Möglichkeit, beim SEM schriftlich ein Gesuch zu stellen (Staatssekretariat für Migration SEM, Quellenweg 6, 3003 Bern-Wabern). In diesem Gesuch ist detailliert darzulegen, weshalb man neu nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren kann resp. vor welcher Gefährdung man sich fürchtet. Je nach Inhalt wird das neue Gesuch als Wiedererwägungs- oder Mehrfachgesuch behandelt.
Was bedeutet die aktuelle Praxisanpassung des SEM für Frauen und Mädchen aus Afghanistan?
Das SEM hat für Frauen und Mädchen aus Afghanistan eine neue Praxis entwickelt, welche per 17. Juli 2023 in Kraft getreten ist.
Praxisänderung:
Die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme der Taliban in vielen Lebensbereichen kontinuierlich verschlechtert. Die zahlreichen Einschränkungen und auferlegten Verhaltensweisen haben gravierende Auswirkungen auf ihre fundamentalen Menschenrechte und schränken ihre Grundrechte massiv ein. Vor diesem Hintergrund können weibliche Asylsuchende aus Afghanistan sowohl als Opfer diskriminierender Gesetzgebung (Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) als auch einer religiös motivierten Verfolgung betrachtet werden – wenn nicht ohnehin andere flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmotive zum Tragen kommen – und ihnen ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Ihre Gesuche wird das SEM weiterhin einzelfallspezifisch prüfen.
Formelles:
Afghaninnen, deren Asylgesuch in der Vergangenheit abgelehnt wurde, die über eine vorläufige Aufnahme oder über die derivative Flüchtlingseigenschaft verfügen, steht es vor dem Hintergrund dieser Praxisanpassung frei, beim SEM ein schriftliches Gesuch um Zuerkennung der originären Flüchtlingseigenschaft und Gewährung von Asyl einzureichen. Afghanische Gesuchstellende, die noch kein Asylverfahren durchlaufen haben, müssen sich an ein Bundesasylzentrum (BAZ) wenden und das ordentliche Asylverfahren durchlaufen.
Die schriftlichen Gesuche müssen die üblichen formellen Voraussetzungen erfüllen, um vom SEM bearbeitet werden zu können. So muss das Gesuch auf dem Schriftweg per Post (Staatssekretariat für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern) oder - falls elektronisch - über PrivaSphere (vgl. Elektronischer Rechtsverkehr mit den Behörden) beim SEM eingereicht werden. Das Gesuch und die allenfalls vorhandene Vollmacht muss die Unterschrift der gesuchstellenden Person(en) enthalten. Wird der Einbezug des Ehegatten/Partners gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG in das Asyl und die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehegattin/Partnerin beantragt, so ist er namentlich aufzuführen; er hat das Gesuch/die Vollmacht ebenfalls zu unterzeichnen. Sind gemeinsame minderjährige Kinder im Gesuch eingeschlossen, so sind diese namentlich aufzuführen und das Gesuch/die Vollmacht ist von beiden Elternteilen zu unterzeichnen. Volljährige Gesuchstellerinnen müssen ein eigenständiges Gesuch einreichen, volljährige Gesuchsteller können weder in das Gesuch der Eltern eingeschlossen noch derivativ in die Flüchtlingseigenschaft (der Mutter) einbezogen werden.
Das SEM weist an dieser Stelle darauf hin, dass die Bearbeitung der Folgegesuche einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Wegweisungsvollzug afghanischer Asylsuchender
Werden Wegweisungen nach Afghanistan vollzogen?
Das SEM hat am 11. August 2021 den Vollzug von Wegweisungen nach Afghanistan aufgrund der aktuellen Entwicklungen bis auf weiteres ausgesetzt. Es werden keine Rückführungen nach Afghanistan mehr durchgeführt, und es werden im Asylverfahren auch keine Wegweisungsvollzüge mehr verfügt. Ausgenommen von dieser Praxis sind schwer straffällige Personen (mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe und/oder Landesverweis). Bei solchen Personen wurden die Vorbereitungen für den Vollzug der Wegweisung fortgesetzt, Ausreisen konnten jedoch aus technischen Gründen nicht organisiert werden. In den vergangenen Monaten haben sich die Rahmenbedingungen laufend verbessert (u.a. regelmässige Flugverbindungen, funktionierender Flughafenbetrieb vor Ort). Seit Ende September 2024 sind Rückführungen von straffälligen Personen nach Afghanistan nach einer Einzelfallprüfung wieder möglich.
Wann wurde die letzte Rückführung nach Afghanistan vollzogen?
Die letzte Rückführung abgewiesener Asylsuchender nach Afghanistan erfolgte 2019, vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Seit Ende September 2024 sind Rückführungen von straffälligen Personen wieder möglich.
Migrationsbewegung
Ist mit einer grösseren Migrationsbewegung in Richtung Europa zu rechnen?
Eine grosse Migrationsbewegung von Personen, die Afghanistan in den letzten Wochen verlassen haben und es in den nächsten Wochen und Monaten noch versuchen werden, in Richtung Europa ist für 2021 sehr wenig wahrscheinlich. Die aktuell feststellbare Zunahme der Asylgesuche afghanischer Staatsangehöriger ist primär auf die Weiterwanderung von Personen zurückzuführen, die sich schon länger in Griechenland oder auf dem Balkan aufgehalten haben.
Letzte Änderung 19.11.2024