Einheitliches Zivilprozessrecht beseitigt die Rechtszersplitterung; Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung
Bern, 28.06.2006 - Mit der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts wird die Rechtszersplitterung und die damit verbundene Rechtsunsicherheit beseitigt. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung verabschiedet, welche die 26 kantonalen Zivilprozessgesetze ersetzen wird.
Heute hat jeder Kanton sein eigenes Zivilprozessrecht. Das verteuert und erschwert den Rechtsweg in der Schweiz. Die gesamtschweizerische Zivilprozessordnung knüpft an der gewachsenen kantonalen Prozessrechtstradition an und verwirklicht eine praxisnahe, effiziente und moderne Verfahrensordnung.
Die künftige Zivilprozessordnung sieht verschiedene Verfahrenstypen vor, die jeweils auf die Art der Parteien und des Streites abgestimmt sind. So gilt für kleinere Fälle sowie für die Angelegenheiten des sozialen Privatrechts (z. B. Miete, Arbeit, Konsumentenschutz) ein vereinfachtes Verfahren, das sich durch erleichterte Formen, verstärkte Mündlichkeit sowie eine aktivere Rolle des Gerichts kennzeichnet.
Aussergerichtliche Streitbeilegung
Der aussergerichtlichen Streitbeilegung kommt ein hoher Stellenwert zu. Die Parteien haben zunächst einen Schlichtungsversuch durchzuführen oder sich einer Mediation zu unterziehen, bevor sie das urteilende Gericht anrufen. Diese Vorrunde trägt einerseits zur Entlastung der Gerichte bei, andererseits erleichtert sie den Parteien den ersten Schritt (niedere Schwelle der Justiz). Als Schlichtungsbehörde können die betreffenden Kantone wie bisher ihre bewährten und bürgernahen Friedensrichter einsetzen.
Pragmatische Mittelwege
Jeder Prozess ist durch unauflösliche Interessenkonflikte geprägt: Die klagende Partei will raschen, kostengünstigen und nachhaltigen Rechtsschutz, die beklagte Partei ein breit angelegtes Abwehrdispositiv. Die unterlegene Partei verlangt nach wirksamen Rechtsmitteln, die obsiegende Partei drängt auf sofortige Vollstreckung. In diesem Spannungsfeld beschreitet der Entwurf pragmatische Mittelwege, z. B. durch ein ausgewogenes Novenrecht (regelt die Möglichkeit einer Partei neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen), durch ein besonders rasches Verfahren bei liquiden Verhältnissen oder durch die Möglichkeit vorzeitiger Vollstreckung trotz eines hängigen Rechtsmittels.
Keine zusätzlichen Kosten
Das neue Recht darf den Kantonen keine zusätzlichen Kosten verursachen. Sie müssen keine neuen Gerichte einführen. Besondere Fachgerichte - wie z. B. Handels-, Miet- und Arbeitsgerichte - sind wie bisher freie organisatorische Optionen. Auch für das Tarifwesen (Gerichts- und Anwaltskosten) bleiben die Kantone zuständig.
Das Zivilprozessrecht befindet sich in starker Entwicklung. Der Gesetzesentwurf sieht deshalb vor, dass die Kantone Pilotprojekte durchführen können, etwa um alternative Verfahrensformen zu testen. Die kantonale Praxis soll wesentlich an der Fortentwicklung des Prozessrechts beteiligt bleiben.
Dritter Teil der Justizreform
Mit der im Jahr 2000 von Volk und Ständen angenommenen Justizreform sind die Verfassungsgrundlagen für eine tief greifende Erneuerung des schweizerischen Justizsystems geschaffen worden. Der erste Teil der Justizreform, die Totalrevision der Bundesrechtspflege, wird mit dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes und Verwaltungsgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007 abgeschlossen. Die Schaffung einer gesamtschweizerischen Straf- und Zivilprozessordnung bilden den zweiten bzw. dritten Teil der Justizreform; die Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts hat der Bundesrat bereits im vergangenen Dezember verabschiedet. Die parlamentarischen Beratungen der beiden Vorlagen dürften rund zwei Jahre dauern.
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Letzte Änderung 26.06.2024