Das Vormundschaftsrecht ist seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1912 nahezu unverändert geblieben und entspricht nicht mehr den heutigen Anschauungen und Verhältnissen. Eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden befürwortet die Totalrevision des Vormundschaftsrechts, die namentlich das Selbstbestimmungsrecht schwacher und hilfsbedürftiger Personen fördern will. Verschiedene Punkte der Vorlage werden allerdings deutlich kritisiert. Sorgen bereiten insbesondere die befürchteten Mehrkosten der Totalrevision. Das neue Recht muss von den betroffenen Gemeinwesen kostenneutral umgesetzt werden können, wird verschiedentlich verlangt.
Massarbeit statt standardisierte Massnahmen
Breite Zustimmung findet das Hauptanliegen der Totalrevision, nämlich die Abkehr von der Fixierung auf bestimmte Typen behördlicher Massnahmen (Entmündigung, Beiratschaft und Beistandschaft) und die Hinwendung zu einem System massgeschneiderter Massnahmen. Eine grosse Mehrheit begrüsst auch die eigene Vorsorge zur Förderung der Selbstbestimmung, das heisst den Vorsorgeauftrag im Allgemeinen und für medizinische Massnahmen sowie die Patientenverfügung. Positiv aufgenommen werden ferner der Verzicht auf die erstreckte elterliche Sorge sowie die Schaffung einer Beistandschaft für Angehörige mit spezifischen Privilegien.
Grössere Organisationsfreiheit für Kantone
Als Hauptstreitpunkt der Revision erweist sich die Organisation der Erwachsenenschutzbehörde. Der Vorschlag, die Erwachsenenschutzbehörde zwingend als interdisziplinär zusammengesetztes Fachgericht zu organisieren, stösst auf breite Ablehnung. Die unbestrittene Professionalisierung des Vormundschaftswesens könne auch mit einer Fachbehörde gewährleistet werden, wird eingewendet. Angesichts dieser Kritik will der Bundesrat den Kantonen eine grössere Organisationsfreiheit belassen. Er hat entschieden, dass die Erwachsenenschutzbehörde nicht zwingend ein Gericht sein wird.
Mehrheitlich abgelehnt wird ferner der Vorschlag, wonach in erster Linie das Gemeinwesen für die Entschädigung des Beistandes aufkommen soll. Die Kosten seien in erster Linie von der hilfsbedürftigen Person und nur subsidiär vom Gemeinwesen zu tragen. Ebenfalls auf Kritik stösst der Vorschlag, wonach nicht mehr allgemein Ärzte mit Praxisbewilligung, sondern nur noch "geeignete" Ärzte für die fürsorgerische Unterbringung zuständig sein sollen. Den Kantonen soll in dieser Frage eine grosse Freiheit eingeräumt werden, damit zum Beispiel weiterhin auch notfallärztliche Einweisungen möglich sind.
Dokumente
- Vorentwurf für ein BG über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (PDF, 423 kB, 21.06.2010)
- Zusammenfassung zum Vorentwurf (PDF, 48 kB, 21.06.2010)
- Zusammenstellung der Vernehmlassungen (PDF, 1 MB, 21.06.2010)
- Zusammenfassung der Vernehmlassungen zum Vorentwurf (PDF, 53 kB, 21.06.2010)
Letzte Änderung 27.10.2004
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