Einheitliche Aufsicht über eine unabhängige Bundesanwaltschaft; Bundesrat verabschiedet Botschaft zum Strafbehördenorganisationsgesetz

Bern, 10.09.2008 - Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft soll verbessert werden. Sie wird deshalb nach der am Mittwoch vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zum Strafbehördenorganisationsgesetz in Zukunft ausschliesslich durch den Bundesrat ausgeübt werden. Gleichzeitig gewährleisten dessen eingeschränkte Weisungsbefugnisse die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden.

Die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO), welche die Wirksamkeit der Strafverfolgung steigern und zugleich die Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit erhöhen soll, wird gemäss gegenwärtiger Planung am 1. Januar 2011 in Kraft treten. Vorgängig müssen der Bund und die Kantone ihre Strafbehörden an die neuen Vorgaben anpassen. Diese Reorganisation erfolgt auf Bundesebene durch den Erlass des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG), das gleichzeitig die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft neu regelt.

Die StPO sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft das Vorverfahren leiten, die Untersuchung führen sowie die Anklage erheben und diese vor den Gerichten vertreten wird. Demzufolge wird auf Stufe Bund das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt aufgehoben, was eine Beschleunigung des Verfahrens zur Folge hat. Die personellen und finanziellen Mittel des Eidgenössischen Untersuchungsrichtersamtes werden in die Bundesanwaltschaft überführt.

Keine Einmischung in Strafverfahren

Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft, die seit 2002 auf das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement im administrativen Bereich und auf das Bundesstrafgericht im fachlichen Bereich aufgeteilt ist, hat in der Praxis zu Unklarheiten, Abgrenzungsschwierigkeiten und Zuständigkeitskonflikten geführt. Der Bundesrat hat verschiedene mögliche Aufsichtsmodelle geprüft und ist zum Schluss gelangt, dass eine einheitliche Aufsicht durch den Gesamtbundesrat die vorteilhafteste Lösung darstellt. Der Bundesrat kontrolliert namentlich, ob die Bundesanwaltschaft die gesteckten Ziele erreicht und kann ihr generelle Weisungen über die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erteilen. Ausgeschlossen sind hingegen konkrete Weisungen im Einzelfall betreffend Einleitung, Durchführung und Abschluss eines Verfahrens, die Vertretung der Anklage vor Gericht und die Ergreifung von Rechmitteln. Diese Einschränkung der Weisungsbefugnisse verhindert, dass sich der Bundesrat in laufende Strafverfahren einmischt und gewährleistet die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden.

Als alternatives Aufsichtsmodell hat der Bundesrat insbesondere den Vorschlag einer gemischten Aufsichtskommission, die sich aus Vertretern der Justiz-, Exekutiv- und Legislativbehörden zusammensetzt, vertieft geprüft. Eine solche Aufsichtskommission hat gegenüber einer parlamentarischen Kommission zwar den Vorteil, dass sie über das nötige Fachwissen verfügt und eine unabhängige Aufsicht über die Bundesanwaltschaft sicherstellen kann. Solche Aufsichtskommissionen bestehen allerdings nur in fünf Kantonen und haben weder Wahlbefugnisse noch Kompetenzen im administrativen Bereich. Mit diesem Modell könnten die Nachteile der Aufteilung der Aufsicht nicht behoben werden.

Kantonale Zwangsmassnahmengerichte zuständig

Als Gegengewicht zur starken Stellung der Staatsanwaltschaft schreibt die StPO die Schaffung eines Zwangsmassnahmengerichts vor, das für die Anordnung der Untersuchungs- und der Sicherheitshaft und für die Anordnung oder Genehmigung weiterer Zwangsmassnahmen zuständig ist. Da ein Zwangsmassnahmengericht des Bundes nicht genügend ausgelastet wäre, sieht das StBOG vor, dass bei Verfahren der Bundesanwaltschaft diese Aufgabe von den kantonalen Zwangsmassnahmengerichten am Sitz der Bundesanwaltschaft oder an ihren Zweigstellen wahrgenommen wird. Die Kantone werden dafür entschädigt. Über Beschwerden gegen Entscheide der Zwangsmassnahmengerichte urteilt das Bundesstrafgericht.

Verzicht auf ein Berufungsgericht

In Fällen der Bundesgerichtsbarkeit ist wie bisher das Bundesstrafgericht als erstinstanzliches Gericht vorgesehen. Nicht weiter verfolgt wird der Vorschlag, das Bundesgericht als Berufungsinstanz einzusetzen. Diese zusätzliche Aufgabe könnte rasch zu einer Überlastung des Bundesgerichts führen und die Erfüllung seiner Kernaufgaben - die Gewährleistung der einheitlichen Rechtsanwendung und der Fortbildung des Rechts - beeinträchtigten. Da für die Errichtung eines eigenständigen Berufungsgerichts oder einer Berufungskammer des Bundesstrafgerichts die Fallzahlen gegenwärtig zu gering sind, behält das StBOG das gegenwärtige Rechtsmittelsystem bei. Damit wird gegen Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts weiterhin nur die Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht möglich sein, d.h. das Bundesgericht wird nicht den Sachverhalt kontrollieren, sondern lediglich prüfen, ob Rechtsnormen richtig angewendet worden sind.

Keine Abgeltung der Kantone

Das StBOG hebt die seit dem 1. Januar 2008 geltende Regelung auf, wonach den Kantonen die ausserordentlichen Kosten, die ihnen bei der Tätigkeit ihrer Organe als gerichtliche Polizei des Bundes entstehen, abgegolten werden. Infolge der personellen und logistischen Aufstockung der Strafverfolgungsbehörden des Bundes werden die kantonalen Polizeiangehörigen immer weniger eingesetzt; zugleich erbringen die Stellen des Bundes für die Kantone zunehmend unentgeltliche Leistungen im Bereich der verdeckten Ermittlung, von Datenbanken, von IT-Ermittlungen, von Informationssystemen und der Netzwerkkriminalität. Die Abgeltungsregelung ist zudem mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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